Kommentar
12:20 Uhr, 12.11.2014

Brauchen wir wirklich mehr Investitionen?

Natürlich brauchen wir mehr Investitionen, um die Wachstumsschwäche zu überwinden. Aber: Investitionen schaffen neue Kapazitäten. Damit wird mehr produziert. Das erhöht den Angebotsdruck auf den Märkten. Die Preise gehen zurück. Am Ende landen wir bei Deflation, die niemand haben möchte.

  • Ehrenrettung für Investitionen. Sie schaffen nicht nur mehr Kapazitäten, sondern auch mehr Nachfrage.
  • Deflationäre Effekte sind nicht zu befürchten. Der Nachfrageeffekt ist immer größer als der Angebotseffekt.
  • Die Zunahme der Investitionen schafft interessante Anlagemöglichkeiten.

In der letzten Woche bekam ich eine interessante Mail. Könnte es nicht sein, so schrieb mein Kollege Christian Kreuser, dass die Märkte und die Politik mit ihrer Forde­rung nach mehr Investitionen auf dem Holzweg sind? Natürlich brauchen wir mehr Investitionen, um die Wachstumsschwäche zu überwinden. Aber: Investitio­nen schaffen neue Kapazitäten. Damit wird mehr produ­ziert. Das erhöht den Angebotsdruck auf den Märkten. Die Preise gehen zurück. Am Ende landen wir bei De­flation, die niemand haben möchte. Mit zusätzlichen In­vestitionen wird also letztlich der Teufel mit dem Beelze­bub ausgetrieben.

Das ist ein wichtiges Argument. Wenn es richtig ist, wird damit die ganze wirtschaftspolitische Philosophie aus den Angeln gehoben. Denn im Mittelpunkt aller Überle­gungen zur Überwindung der Wachstumsschwäche ste­hen derzeit in der Tat die Investitionen. Viel mehr haben wir nicht in der Tasche. Strukturreformen sind immer schwierig und schmerzlich. Staatliches "Deficit Spend­ing" ist angesichts der hohen aufgelaufenen Verschul­dung zahnlos geworden. Die Geldpolitik ist durch die viele Liquidität an ihre Grenzen gekommen. Wenn man jetzt nicht einmal mehr die Investitionen erhöhen darf, dann haben wir wenig Chancen, aus dem Dilemma he­rauszukommen.

Glücklicherweise ist das Argument aber nicht richtig. Der Grundfehler ist: Investitionen haben immer einen dop­pelten Effekt. Sie erhöhen nicht nur das Angebot, indem sie neue Kapazitäten schaffen. Sie vergrößern auch die Nachfrage. Das Unternehmen muss die zusätzlichen Maschinen und Ausrüstungen kaufen, die es in der Pro­duktion zur Herstellung neuer Güter einsetzen will. Bei der Beurteilung der Folgen von Investitionen muss man daher immer beide Effekte im Kopf haben und sie ge­geneinander abwägen.

Aus Makrosicht ist der Nachfrageeffekt insgesamt sogar der wichtigere. Zum einen tritt er zeitlich früher auf. Das Unternehmen muss die Maschine erst erwerben, bevor es damit arbeiten kann. Vor dem deflationären Effekt durch mehr Kapazitäten kommt also der inflationäre Ef­fekt durch mehr Nachfrage.

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Zum Zweiten ist der Nachfrageeffekt pro Periode größer als der Angebotseffekt. Wenn eine Maschine EUR 100.000 kostet, wird sie nicht gleich im Jahr der An­schaffung Güter in Höhe von EUR 100.000 produzieren. Was sie tatsächlich bringt, hängt von den Gegebenhei­ten in den einzelnen Unternehmen, Branchen und Volks­wirtschaften ab. Die Volkswirte messen das mit dem Ka­pitalkoeffizienten (Relation des Kapitalbestandes zum Bruttoinlandsprodukt). Nimmt man einen Kapitalkoeffi­zienten in der Größenordnung von 3 an – was für euro­päische Industrieländer nicht ganz unrealistisch sein dürfte – so ergibt sich: Der Angebotseffekt ist gesamt­wirtschaftlich nur ein Drittel so hoch wie der Nachfrage­effekt.

Zum Dritten: Jede Investition hat zwar einen Nachfrage­effekt, aber nicht alle haben einen Angebotseffekt. In Deutschland entfallen nach dem Investitionstest des ifo-Instituts von den gesamten Investitionen rund ein Viertel (27 %) auf Ersatzbeschaffung. Sie haben keine oder nur eine geringe Bedeutung für die Kapazitäten. 9 % aller In­vestitionen sind Rationalisierungsmaßnahmen. Hier geht es im Wesentlichen darum, effizienter und kostengünsti­ger zu produzieren, nicht mehr Güter auf den Markt zu bringen.

Nur etwas weniger als zwei Drittel aller Investitionen (64 %) dienen der Erweiterung. Aber auch hier muss man unterscheiden. Nur bei einem geringen Teil wird einfach mehr produziert. In der Mehrzahl der Fälle han­delt es sich um Maßnahmen zur Änderung und Auswei­tung des Produktionsprogramms. Ein Automobilunter­nehmen baut ein neues Werk, um ein neues Modell auf den Markt zu bringen. In der Regel läuft dann früher oder später ein altes Modell aus. Das heißt, an anderer Stelle werden Kapazitäten abgebaut.

Ein wichtiger Teil der Investitionen, die vor allem in den europäischen Volkswirtschaften gebraucht werden, ent­fällt im Übrigen auf Infrastrukturmaßnahmen. Es müssen etwa Straßen, Brücken oder Häfen instand gesetzt wer­den. Das hat normalerweise überhaupt keinen direkten Angebotseffekt.

Schließlich noch etwas ganz Faktisches. In Deutschland existiert das Problem nicht, dass durch Investitionen De­flation geschaffen werden könnte. Hier gibt es keine sin­kenden Preise. Die Geldentwertung beträgt immer noch 0,9 %. Es gibt auch nicht zu viel Produktionskapazitäten, die auf die Preise drücken. Vielmehr entspricht die ge­samtwirtschaftliche Nachfrage in etwa dem Produktions­potenzial.

In den südeuropäischen Ländern wie Italien, Spanien oder Griechenland, wo die Preise tatsächlich zurückge­hen, sieht das etwas anders aus. Dort gibt es in der Tat vielfach zu hohe Kapazitäten. Sie sind aber nicht dadurch entstanden, dass zu viel investiert wurde. Ent­scheidend ist vielmehr, dass die Nachfrage bewusst zurückgeführt wurde, um die öffentlichen Defizite zu verringern, die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen und die Länder wieder auf einen soliden Wachstumspfad zurückzuführen. Mit zu viel Investitionen hat das also nichts zu tun.

Für den Anleger

Insgesamt sieht es also nicht so schlecht aus um die These, dass die Investitionen erhöht werden sollen. Sie ist nach wie vor richtig. Lassen Sie sich daher nicht beir­ren. Legen Sie Ihr Geld nach wie vor in Unternehmen an mit hohen Investitionen und in Länder, die ihre Straßen und Brücken in Ordnung bringen. Vor allem auf dem Ge­biet der Infrastruktur wird es in Zukunft immer mehr Ob­jekte geben, die Finanzierungen suchen. Die Versiche­rer sind derzeit begierig, sich hier zu engagieren, um da­mit eine ordentliche Rendite zu erzielen. Dem können sich auch andere Anleger anschließen.

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