Europäische Bankenbranche: Konsolidierung unausweichlich?
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Die europäische Bankenbranche ist stark fragmentiert und steht unter Druck sich zu verändern. Niedrige Margen, hohe Regulierung und wachsende Konkurrenz zwingen viele Institute zu Umstrukturierungen. Während in den USA wenige Großbanken dominieren, existieren in Europa zahlreiche mittelgroße Banken, die um Marktanteile kämpfen.
Besonders in Deutschland sind einige Institute wie die Deutsche Bank und aktuell konkret die Commerzbank aufgrund ihrer geringen Marktkapitalisierung potenzielle Übernahmekandidaten. Zudem liegt viel privates Kapital in konservativen Anlageformen, was die Ertragslage der Banken beeinflusst.
Kommt es in naher Zukunft zur Konsolidierung der europäischen Bankenbranche? Was solltest du als Trader oder Investor über die aktuelle Situation wissen? Wir schaffen für dich einen Überblick.
Die europäische Bankenbranche im Überblick
Europas Bankenlandschaft ist geprägt von großen Privatbanken, kleineren Instituten, Sparkassen und Genossenschaftsbanken. Diese Vielfalt führt zu starkem Wettbewerb, besonders im Privatkundengeschäft. Banken sind hier nicht nur Finanzintermediäre, sondern auch die Hauptquelle der Unternehmensfinanzierung – ein Unterschied zu den USA, wo Kapitalmärkte dominieren.
Doch die Branche kämpft mit niedrigen Margen, Regulierung und Digitalisierungsdruck. Die Bankenunion hat Kapitalanforderungen verschärft, Filialnetze schrumpfen, und digitale Services rücken in den Fokus. Gleichzeitig bleibt die Rentabilität vieler Institute gering, Fusionen und Übernahmen sind oft die einzige Antwort auf die Fragmentierung des Marktes.
USA vs. Europa
Während US-Banken wie JPMorgan und Citigroup globale Giganten sind, bleibt Europa stark zersplittert. Unterschiedliche Wirtschaftspolitiken und ein schwacher europäischer Kapitalmarkt hemmen paneuropäische Expansionen. Zudem hängen europäische Unternehmen finanziell direkt von Banken ab, während sich US-Firmen über die Investmentebanking Abteilungen der Banken und über Kapitalmärkte finanzieren.
Auch technologisch haben US-Banken die Nase vorn: Sie setzen bereits seit längerem auf Digitalisierung und FinTech-Kooperationen, während viele europäische Banken noch mit alten Geschäftsmodellen kämpfen. Geringe Marktkapitalisierung und niedrige Renditen machen es zudem schwer, im globalen Wettbewerb mitzuhalten. Eine Konsolidierung des Marktes scheint unvermeidlich, wenn Europas Banken zukunftsfähig bleiben wollen.
Top 5 der wichtigsten europäischen Banken
- HSBC Holdings: Mit Sitz in London ist HSBC eine der größten Banken der Welt und bietet ein breites Spektrum an Finanzdienstleistungen an.
- BNP Paribas: Als führende Bank in Frankreich hat BNP Paribas eine starke Präsenz in Europa und weltweit.
- Banco Santander: Diese spanische Bank ist in zahlreichen Ländern tätig und hat eine bedeutende Marktstellung in Europa und Lateinamerika.
- ING Group: Mit Hauptsitz in den Niederlanden bietet ING eine Vielzahl von Bankdienstleistungen und hat eine starke Online-Präsenz.
- UBS Group: Als größte Schweizer Bank ist UBS insbesondere im Vermögensverwaltungssektor führend.
Die deutsche Bankenbranche
In Deutschland ist der Bankensektor besonders fragmentiert. Neben großen Privatbanken wie der Deutschen Bank und der Commerzbank gibt es zahlreiche Sparkassen und Genossenschaftsbanken. Diese Struktur führt zu intensivem Wettbewerb und erschwert die Erzielung von Skaleneffekten. Zudem haben deutsche Banken im internationalen Vergleich oft eine geringere Marktkapitalisierung, was sie anfälliger für Übernahmen macht.
Wenig Risikobereitschaft deutscher Sparer
Deutsche Sparer gelten traditionell als risikoscheu und bevorzugen konservative Anlageformen wie Sparbücher oder Lebensversicherungen. Diese Zurückhaltung gegenüber Aktieninvestments hat den langfristigen Vermögensaufbau gebremst. Laut einer Studie der Allianz liegt Deutschland mit einem durchschnittlichen Netto-Geldvermögen von 69.100 Euro pro Kopf nur auf Platz 18 im internationalen Vergleich. Zudem nutzen etwa 35 % der Deutschen Spareinlagen als Geldanlage, während der Anteil der Aktienbesitzer vergleichsweise gering ist.
Deutsche Bank und Commerzbank
Die Deutsche Bank und die Commerzbank sind die beiden größten Privatbanken Deutschlands. Beide Institute haben in der Vergangenheit mit Herausforderungen gekämpft, darunter geringe Profitabilität und hohe Kostenstrukturen. Ihre vergleichsweise geringe Marktkapitalisierung macht sie potenziell anfällig für Übernahmen.
Übernahmeschlacht zwischen UniCredit und Commerzbank
Ein aktuelles Beispiel für die Konsolidierungstendenzen ist das Interesse der italienischen Bank UniCredit an der Übernahme der Commerzbank. UniCredit hat kürzlich einen Anteil von 9,49 % an der Commerzbank erworben und signalisiert damit Übernahmeabsichten. Dieses Vorgehen löst in Deutschland politische und wirtschaftliche Diskussionen aus, da eine solche Übernahme erhebliche Auswirkungen auf den deutschen Bankensektor und auf die deutsche Unternehmenslandschaft haben würde.
Zahlen & Fakten
Deutsche Bank | Commerzbank | |
---|---|---|
Börsenwert | 40,78 Mrd. EUR | 25,25 Mrd. EUR |
Mitarbeiter | 84.930 | 42.312 |
CEO | Christian Sewing | Bettina Orlopp |
Interest und Non Interest Income
Während die Zinseinnahmen insbesondere ab 2022 stark ansteigen, mittlerweile aber wieder geringer ausfallen, bleibt das Nicht-Zinsgeschäft weitgehend stabil. Dies unterstreicht die zunehmende Bedeutung des klassischen Kreditgeschäfts in einem Umfeld steigender Zinsen. Der Rückgang nach 2023 zeigt jedoch, dass dieser Trend nicht dauerhaft ist und möglicherweise externe Faktoren wie Marktbedingungen oder regulatorische Änderungen eine Rolle spielen.
Bilanzanalyse
Deutsche Bank | Commerzbank | |
---|---|---|
Gesamtkapital | 1380 | 565,33 |
Tier 1 Capital | 59,06 | 28,50 |
Net Loans | 478,88 | 310,73 |
NPLs | 14,68 (3,07%) | 5,12 (1,65%) |
Die Tabelle zeigt einen Vergleich zentraler Finanzkennzahlen von Deutsche Bank und Commerzbank. Die Deutsche Bank verfügt mit 1.380 Mrd. EUR über ein deutlich höheres Gesamtkapital als die Commerzbank (565,33 Mrd. EUR), was auf ihre größere Marktpräsenz und Bilanzsumme hinweist. Ähnlich verhält es sich beim Tier-1-Kapital, das die finanzielle Widerstandsfähigkeit einer Bank misst – hier hat die Deutsche Bank mit 59,06 Mrd. EUR einen höheren Puffer als die Commerzbank mit 28,50 Mrd. EUR.
Auch beim Kreditvolumen (Net Loans) liegt die Deutsche Bank vor der Commerzbank. Interessant ist der Vergleich der notleidenden Kredite (NPLs): Während die absolute Summe bei der Deutschen Bank mit 14,68 Mrd. EUR höher ist, liegt ihr Anteil am Kreditvolumen bei 3,07 %, während die Commerzbank mit 5,12 Mrd. EUR NPLs einen geringeren relativen Anteil von 1,65 % aufweist. Dies deutet darauf hin, dass die Commerzbank insgesamt eine konservativere oder risikobewusstere Kreditvergabe betreibt.
Bewertungskennzahlen
Deutsche Bank | Commerzbank | |
---|---|---|
KGV | 7,53 | 10,74 |
KUV | 0,74 | 0,47 |
KBV | 0,63 | 0,85 |
Beide Banken werden aktuell höher bewertet als in den vergangenen Jahren. Die Commerzbank weist mit einem KGV von 10,74 eine teurere Bewertung auf als die Deutsche Bank mit 7,53. Beim Kurs-Umsatz-Verhältnis liegt die Deutsche Bank mit 0,74 über der Commerzbank mit 0,47. Das Kurs-Buchwert-Verhältnis zeigt mit 0,85 bei der Commerzbank eine höhere Marktbewertung als die 0,63 der Deutschen Bank. Die steigenden Kennzahlen deuten darauf hin, dass Investoren wieder mehr Vertrauen in die Branche setzen, unter anderem aufgrund eines vorteilhaften Zinsumfelds oder verbesserter Geschäftserwartungen.
Chart
Bis Anfang 2022 war die Performance der Deutschen Bank-Aktie besser als die der Commerzbank-Aktie. Doch nach dem russischen Überfall auf die Ukraine hat die Deutsche Bank sich entschlossen, sich aus Russland zurückzuziehen und das Geschäft aufzulösen. Diese Umstrukturierungen haben Kapital gekostet. Die Commerzbank dagegen hatte ein deutlich geringeres Russland-Exposure. Aufgrund dessen konnte die Commerzbank jüngst die Deutsche Bank outperformen. Zusätzlich wird der Aktienkurs auch durch die Übernahmeschlacht mit der UniCredit stark beeinflusst.
Fazit
Die europäische Bankenbranche steht unter starkem Druck: Hohe Regulierung, niedrige Margen und zunehmender Digitalisierungsbedarf setzen viele Institute unter Zugzwang. Im Gegensatz zu den USA, wo wenige Großbanken den Markt dominieren, ist Europa weiterhin fragmentiert – insbesondere in Deutschland, wo zahlreiche Sparkassen und Genossenschaftsbanken den Wettbewerb zusätzlich verschärfen.
Die geringe Marktkapitalisierung vieler Banken, allen voran der Commerzbank, macht sie zu potenziellen Übernahmekandidaten. Das steigende Interesse ausländischer Banken, etwa durch die UniCredit-Beteiligung an der Commerzbank, unterstreicht die Notwendigkeit von Fusionen, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben.
Während US-Banken durch frühzeitige Digitalisierung und starke Kapitalmarktorientierung ihre Position festigten, hinken viele europäische Institute hinterher. Eine Konsolidierung scheint daher unausweichlich, um Skaleneffekte zu nutzen, Effizienz zu steigern und global konkurrenzfähig zu bleiben. Die jüngsten Entwicklungen deuten darauf hin, dass sich dieser Prozess in den kommenden Jahren weiter beschleunigen wird.
Offenlegung wegen möglicher Interessenkonflikte
Der Autor ist im besprochenen Wertpapier bzw. Basiswert zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser Analyse nicht investiert.