Fitch: Deutschland hat fiskalischen Spielraum - Strukturreformen nötig
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DOW JONES--Deutschland hat Fitch Ratings zufolge "erheblichen fiskalischen Spielraum", um die geplante Umstellung auf deutlich höhere Militär- und Infrastrukturausgaben zu bewältigen. Längerfristig könnte allerdings Druck auf das 'AAA'/Stable Rating entstehen, wenn diese Ausgabenerhöhung nicht durch Konsolidierungsmaßnahmen oder eine nachhaltige Verbesserung der Wachstumsaussichten ausgeglichen werde.
Die vorgeschlagenen Ausgaben deuteten darauf hin, dass die neue Regierung bereit sei, eine führende Rolle bei der Reaktion der EU auf die sich rasch verändernde geopolitische Dynamik zu übernehmen und dabei eine Umgestaltung der fiskalischen Kennziffern des Landes in Kauf zu nehmen. Fitch Ratings rechnet in den kommenden zehn Jahren mit zusätzlichen Staatsausgaben in Höhe von 900 Milliarden bis 1 Billion Euro (21 bis 23 Prozent des BIP 2024).
Die neuen Ausgaben dürften schrittweise erhöht werden. Dennoch könnte sich das Haushaltsdefizit 2027 auf 4 bis 4,5 Prozent des BIP ausweiten, von 2,6 Prozent 2024. Dann würde sich Deutschlands Schuldenquote bis 2027 70 Prozent nähern und wäre damit die höchste unter den Ländern mit AAA-Rating (Median 36,5 Prozent), aber immer noch unter dem Höchstwert von 80 Prozent im Jahr 2010. Deutschlands Status als Referenzemittent der Eurozone und seine große, diversifizierte Wirtschaft erhöhen ebenfalls seine Schuldentragfähigkeit.
Nach Fitchs erster Schätzung könnten die neuen Ausgaben das BIP im Zeitraum 2025 bis 2027 direkt um durchschnittlich 0,4 Prozentpunkte erhöhen. Die Ratingagentur geht jedoch davon aus, dass höhere US-Zölle dies 2025 wieder ausgleichen werden, und prognostizieren ein Wachstum von nur 0,1 Prozent, etwas niedriger als bei der letzten Überprüfung des Länderratings Ende Februar (0,3 Prozent). Dank fiskalischer Anreize werde sich die deutsche Wirtschaft jedoch im nächsten Jahr leicht erholen, für das Fitch ein Wachstum von 1,1 Prozent prognostiziert.
Deutschlands haushaltspolitische Umsicht sei ein wichtiger Anker für sein AAA-Rating. Ein breites Engagement für die Nachhaltigkeit der öffentlichen Finanzen dürfte ein Merkmal der deutschen Politik bleiben, aber die Verlagerung des Schwerpunkts auf Verteidigung und Infrastruktur bedeute, dass der Druck auf das Rating längerfristig zunehmen könnte. Das Ausmaß umfassenderer Wirtschaftsreformen im Koalitionsplan und die künftige Ausgestaltung der nationalen Schuldenbremse, die die Koalition bis Ende 2025 umfassender reformieren will, werden Indikatoren für die relative Bedeutung sein, die starken Haushaltskennzahlen beigemessen wird.
Deutschland stehe vor erheblichen strukturellen Herausforderungen, darunter die wachsende Konkurrenz aus China, Zollrisiken aufgrund seiner exportorientierten Wirtschaft und Probleme mit der Wettbewerbsfähigkeit des verarbeitenden Gewerbes, die durch gestiegene Energie- und Arbeitskosten, bürokratische Hürden und hohe Unternehmenssteuern verursacht werden.
Die zusätzlichen Ausgaben werden das Wachstum stützen und die Wettbewerbsfähigkeit verbessern, aber es sei unwahrscheinlich, dass sie für sich genommen die längerfristigen Wachstumsaussichten Deutschlands wesentlich verbessern werden. Dies würde Strukturreformen und möglicherweise eine wirtschaftliche Neuausrichtung auf Sektoren erfordern, in denen Deutschland wettbewerbsfähiger sein kann. Es bleibe abzuwarten, ob höhere Verteidigungsausgaben die Entwicklung unterstützen könnten.
Kontakt zur Autorin: konjunktur.de@dowjones.com
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